Erfahrungsbericht einer ZSD – Betroffenen
vom 29.06.2018
Ich besitze die Orcam 1.0 bereits seit zwei Monaten und habe dieses kleine Wunderding mal ausführlich getestet.
Vorab, es gibt zwar schon die 2.0 Version, mit dieser habe ich jedoch noch keine Erfahrungen gemacht. Ich habe von Anderen nur gehört, dass diese wohl noch nicht so ausgereift sein soll.
Unter der Orcam(1.0) kann man sich ein relativ kleines Gerät vorstellen, was vom Äußerlichen her mit einer Powerbank fürs Handy verglichen werden kann. Durch ein Kabel ist es mit einer kleinen Kamera verbunden, die man an irgendeine, Brille knipsen kann. Diese ist auch eher unauffällig, oder sagen wir es so: sie sticht nicht direkt ins Auge.
An der Orcam, befinden sich folgende Tasten: Lauter/leiser, der Auslöser und eine verschließbare Öffnung für das Akkukabel.
Eine Vollladung soll im Dauerbetrieb einen ganzen Tag halten, ein sehr dehnbarer Begriff, wenn man mich fragt, sie übersteht allerdings bei mir nur
4 bis maximal 5 Stunden.
Dinge, die das Gerät können soll:
Bis auf handschriftliche Dinge so gut wie alles(sprich alle üblichen Schriftarten, mehr als 100), vorlesen; Personenerkennung sowie Speicherung der Gesichter; Produkterkennung sowie auch hier deren Speicherung; Farberkennung
Gehen wir die Sachen doch mal von unten nach oben durch:
Zu der Farberkennung braucht man nicht viel zu sagen, außer dass man hofft, dass sie mit den nächsten Updates besser wird, denn derzeit ist sie nicht zu gebrauchen, bzw. weder ich, noch die Dame, die die Schulung mit mir gemacht hat, wissen wie man sie überhaupt benutzt..
Die Produkterkennung hingegen ist, wenn man sie benötigt, wirklich gut. Es ist zwar ein wenig schwierig anfangs mit ihr umzugehen, lernt man jedoch schnell, auch durch die Anweisungen die die Orcam selber gibt, diese einzuspeichern. Besonders lohnen tut sich das bei z.B. Lebensmitteln, die sich in runden Verpackungen befinden. Die Orcam fotografiert das betreffende Produkt von allen Seiten und sobald sie dieses in einem Geschäft erblickt, wird es Ihnen sofort angesagt. Wenn sie zu Hause auf eine Auswahl von Produkten „schauen“, wird Ihnen somit natürlich auch schnell das gespeicherte Produkt zur Erkennung gegeben.
Eine weitere, ähnliche Funktion, ist die Speicherung von Gesichtern. Sie nehmen sich eine Person, fotografieren sie ab und wenn die Orcam sie erblickt, wird der Name dieser Person genannt. Sie können auch Personen „abfotografieren“ und es sagt Ihnen ob es sich um einen Mann, eine Frau, jung oder alt handelt.
Dies ist meiner Meinung nach aber eher ein „nice to have“ und ich empfinde es eher als Störung, wenn eine Person sich mit mir in einem Raum befindet und die Orcam mir die ganze Zeit sagt „Julia“, mal als Beispiel.
Wichtig: die Orcam erkennt nicht genau die Person, sondern erkennt nur Gesichtsmerkmale, bzw. der Person generell. Wenn die Orcam eine Person sieht, die sehr ähnliche Gesichtszüge wie Julia, in unserem Fall, erblickt, wird diese Person auch schnell zu Julia.
Eine lustige Geschichte am Rande, ich habe die Funktion mal verwendet, habe auf meine Tante gezeigt und da gab mir die Orcam als Beschreibung „ein Mann sitzt vor Ihnen“, war schon amüsant die Empörung dieser Tante mit anzusehen, vor allem wenn man bedenkt dass gerade diese Frau sehr weibliche Gesichtszüge hat, sich an dem Tag nur das Haar zurückgebunden hatte..somit bestand die Orcam mit dieser Funktion von 10 Testpersonen 9-ist doch schon mal eine hohe Funktionsfähigkeit.
So, kommen wir doch nun mal zu der Hauptfunktion der Orcam.
Ich habe den „Auslöser“ an dem Gerät erwähnt, dieser ist bei schriftlichen Dingen aber auch mit Handgesten ersetzbar.
Sie müssen nur auf die Mitte des z.B. Blattes zeigen und automatisch wird Ihnen alles vorgelesen, was auf diesem steht. Das Gerät sagt Ihnen auch an, wenn der Text auf dem Kopf steht, oder sie den Zettel weiter links oder weiter rechts halten müssen. Auch wird Ihnen angesagt, wenn sie eine bessere Beleuchtung benötigen(kommt ja abends oft genug vor).
Diese Funktion ist, wie schon erwähnt, auf alles anwendbar. Briefe, Bücher, Zeitungen, Straßenschilder, Klingelschilder, Produkte, Aushänge, sogar technische Geräte, wie Dinge auf dem Handy, PC usw. werden Ihnen zugänglich gemacht. Sie können sich auch mit gewissen Tastenkombinationen an dem Gerät durch den Text navigieren.
Die Stimme ist angenehm und das Vorlesen geschieht fehlerfrei. Da kann ich nur sagen: 10 von 10 Punkten. Eine Wahnsinns Erleichterung im Leben, Dinge, die einem zugänglich gemacht werden, von denen man es nie geglaubt hat.
Etwas, wo ich vollauf begeistert von diesem Gerät bin.
Der einzige Haken ist da nur, dass Sie erstmal die Gesten ein wenig einüben müssen. Bei meinen ersten Versuchen war ich Wahnsinns enttäuscht und dachte mir „mehrere Tausend für so einen Schwachsinn?“. Später hat sich jedoch herausgestellt, dass das Gerät noch nicht richtig eingestellt war und ich vor allen Dingen erst noch üben musste immer richtig auf das abgebildete zu zeigen und auch richtig drauf zu schauen, sodass die Kamera die Dinge auch sieht.
Für Geburtsblinde wohl schwerer als für jemanden der später erblindet ist.
Da brauch man sich aber keine Sorgen zu machen, mit ein bisschen Übung schafft jeder das. Gerade bei den Chancen, die einem mit der Orcam eröffnet werden, sollte man sich wirklich überlegen sich das Gerät anzuschaffen.
Ich kann die Orcam nur wärmstens empfehlen und wünsche jedem viel Spaß und vor allem viel mehr Selbstständigkeit, die das Gerät ermöglicht.
Die Kosten werden durch die Aufnahme in den Hilfsmittelkatalog, von den gesetzlichen Krankenkassen getragen.