von Januar 2014
Im Rahmen einer Studie, die eine Nutzenabschätzung zum Ziel hatte, konnte ich das System 2013 drei Monate lang testen und erhielt auch zu Beginn die erforderliche Schulung.
Hierfür kam ein Mobilitätstrainer aus Marburg , der mit mir an drei Tagen trainierte.
Wie wurde das Training durchgeführt?
Zuerst setzten wir uns an einen Tisch und der Minicomputer wurde über Bluetooth mit dem Laptop des Trainers verbunden. Dadurch kann der Trainer das Bild der Brillenkamera auf seinem Laptop sehen und mir Anweisungen geben, wohin ich den Kopf drehen muss, um ein bestimmtes Objekt in das Kamerabild zu bekommen. Dann setzte ich die Kamerabrille auf und nahm den Chip in den Mund.
Anschließend wurde das Testprogramm des Minicomputers gestartet. Hierfür sendet der Minicomputer das Bild einer geraden Linie an das Zungendisplay, auf dem sie von der linken auf die rechte Seite wandert. Jetzt wurde es etwas unheimlich.
Ich sollte an einem Rädchen drehen, bis es auf der Zunge zu kribbeln beginnt. Also drehte ich sehr vorsichtig, bis ich etwas auf der Zunge spürte. Was das jedoch sein könnte, war mir völlig unklar. Erst als ich die Stromstärke weiter erhöhte, konnte ich erahnen, dass sich auf meiner Zunge eine gerade Linie bewegte.
Mit dem Strom kam aber auch der Speichel und zunehmend wurde die Frage vordringlicher, wie man mit einem 3 mal 3 cm großen Metallstück im Mund schlucken soll. Nach meinem ersten gescheiterten Versuch nahm ich den Chip wieder heraus und war ziemlich enttäuscht. Dass es so schwierig werden würde, hatte ich nicht erwartet. Einige Versuche später war auch diese Hürde genommen.
Jetzt konnte die erste Übung beginnen.
Ich sollte auf dem Tisch, auf dem ein weißes Tischtuch lag, einen schwarzen Gegenstand finden. Auch das hatte ich mir einfacher vorgestellt. Da ich noch keine Vorstellung hatte, wie ich den Kopf halten musste um die Kamera auf den Tisch zu richten, fing sie zuerst nur Bilder von dem gegenüberliegenden Schrank auf. Da das gleiche Bild auch von der Mobilitätstrainerin auf ihrem Laptop gesehen wurde, war es ihr möglich mir Tipps zu geben, bis ich den Gegenstand in der Mitte meiner Zunge spüren konnte. Es war ein überwältigendes Gefühl zum ersten Mal etwas deutlich auf der Zunge zu spüren, was normalerweise mit den Augen wahrgenommen wird.
Erstaunlicherweise konnte ich von Anfang an relativ sicher den Gegenstand greifen und es stellte sich heraus, dass es ein schwarzer Ball war, der als kreisrunde Fläche auf meiner Zunge kribbelte.
Bereits am zweiten Tag konnte ich relativ zügig verschiedene Gegenstände auf dem Tisch finden und unterscheiden. Aber auch das Erkennen von 8 cm großen Buchstaben, ging plötzlich wie von selbst. Am dritten und letzten Tag der Schulung erkundete ich mit der Zunge unser Wohnzimmer. Es war mir zwar nicht möglich Entfernungen richtig einzuschätzen, aber der dunkle Schrank vor der hellen Tapete, das Fenster oder die dunkle Tür waren gut wahrzunehmen.
Dann ging es hinaus in den Garten. Bei strahlendem Sonnenschein, so dachte ich, müsste das Erkennen von Wegen oder Bäumen leicht sein.
Doch da wurde ich eines besseren belehrt. Ich konnte zwar dem Weg im Rasen ein ganzes Stück folgen, als er jedoch im Schatten lag, war er plötzlich verschwunden.
Durch die geringen Kontraste und die vielen Schatten verwirrte mich die Darstellung so sehr, dass auch eine grobe Orientierung nicht möglich war.
Inzwischen wird an einer Weiterentwicklung des Brain Ports gearbeitet, die BrainPort Vision V200 genannt wird. Bei dieser Weiterentwicklung wird die Kamera nicht nur Informationen an das Zungendisplay senden, sondern auch an ein Handy. Dort werden die Bilder analysiert und identifizierte Objekte über eine Sprachausgabe angesagt. So könnten zum Beispiel Haltestellenschilder oder Ampeln auch dann erkannt werden wenn sie über die Zunge nicht zu spüren sind.
Beim Testen des BrainPort Vision ist mir aufgefallen, dass eine Orientierung im Freien kaum möglich ist, weil auf dem Zungendisplay die Graustufen abgebildet werden. Das bedeutet, dass Schatten nicht von Gegenständen zu unterscheiden sind und die schwächeren Kontraste nicht mit der Zunge wahrgenommen werden können. Hier könnte es sinnvoller sein, die Entfernung als Darstellungsparameter für das Zungendisplay zu verwenden, um Gegenstände mit wenigen Kontrasten scharf abgegrenzt darzustellen. Auch Irritationen durch Schatten oder Reflektionen könnten auf diese Weise vermieden werden.